Brüssel: Freifahrtschein für Gentechnik
Abschied von Wahlfreiheit und Vorsorgeprinzip: Der am 5. Juli vorgestellte Gesetzesvorschlag der EU-Kommission zur Deregulierung der Gentechnik hebelt Risikoprüfung, Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung aus. Er spielt vor allem den Agrochemie-Konzernen in die Karten. Für sie wird es deutlich leichter, genomeditierte Pflanzen auf den Markt zu werfen. Kritik hagelt es von vielen Seiten. Vor allem Bio-Verbände sehen den Schutz von Landwirten und Verbrauchern gefährdet. „Das ist für die EU eine Zäsur und der gefährliche Abschied vom lange gelebten Vorsorgeprinzip“ so die Kritik von Bioland. Für große Saatgut-Unternehmen sei es so etwas wie die vergoldete Kirsche auf der Sahnetorte, denn sie könnten sich künftig massenweise neue Patente auf Pflanzeneigenschaften sichern. „Man kann ihn förmlich hören, den Jubel hinter den Türen der Gentechnik-Industrie“, so Bioland-Präsident Jan Plagge. „Sie hat es offensichtlich geschafft, die EU-Kommission von einem Freifahrtschein für die Neue Gentechnik zu überzeugen.“ Und auch Demeter und Naturland kritisieren den Entwurf scharf: „Der Gesetzesentwurf ist eine Klatsche für die Verbraucher, die weiterhin die Wahl haben wollen, gentechnikfreie Produkte zu kaufen, und daher auf eine klare Kennzeichnung angewiesen sind“, kommentiert Demeter-Vorstand Alexander Gerber. „Immerhin erkennt die Kommission an, dass all das mit den Prinzipien des Ökolandbaus nicht vereinbar ist“, so Naturland-Präsident Hubert Heigl. Der Entwurf liefere allerdings keine Antworten darauf, wie Bio-Betriebe in Zukunft die gentechnik-Freiheit ihrer Produktion in der Praxis sichern sollen. Und auch die Frage, wer im Falle einer Kontamination von Bio-Erzeugnissen mit neuen Gentechniken die Verantwortung und damit die Kosten trage, bleibe ungeklärt. Heigl: „Hier muss das Verursacherprinzip gelten.“